Meinung


SALZBURGER FENSTER 14/2012


von Heinrich Breidenbach

Heimatliebe statt „Österreicher-Diebe“?

Vor Jahren erzählte mir einmal ein alt gewordener Gewohnheitsdieb „Anekdoten“ aus seinem aufreibenden kriminellen Arbeitsleben. Unter anderem war der Mann in den 1960er Jahren regelmäßig in Italien „tätig“. Die Ferienstrände an der Adria versprachen im Sommer fette Beute. Die Raubzüge waren bandenmäßig organisiert, die Methoden simpel aber einträglich. Ein bevorzugtes Ziel waren etwa die wenig gesicherten Strandhäuschen der Urlauber. Nach vollbrachten Taten setzten sich die Diebe wieder nach Österreich ab.
„Kriminaltourismus“ aus Österreich war das.
Nun hätten wir uns damals mit Recht empört, wenn wir in Italien darob allgemein als „Diebe“ an den Pranger gestellt worden wären. Oder wenn gar politische Parteien in Italien mit Plakaten wie „Heimatliebe statt Österreicher-Diebe“ in Wahlkämpfe gezogen wären.
Nichts anderes hat die FPÖ im abgelaufenen Innsbrucker Gemeinderatswahlkampf mit ihrem Plakat „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“ gemacht. Es hat sich nicht ausgezahlt. Mit 7,7 Prozent hat die FPÖ letzten Sonntag ein sehr bescheidenes Ergebnis eingefahren.
Aber die Brunnenvergiftung bleibt. Wir werden diesem Muster auch bei nächsten Wahlgängen immer wieder begegnen. Für einzelne wirkliche oder vermutete Kriminelle und Probleme werden von der FPÖ bedenkenlos ganze Nationen, Hautfarben oder Religionen in den Dreck gezogen. So wurden schon Rumänen, Polen oder Moldawier verallgemeinernd als Kriminaltouristen beleidigt, Moslems werden mit Islamisten gleichgesetzt, Schwarzafrikaner generell des Drogenhandels verdächtigt, Asylsuchende des Betrugs, usw.
Die andere Seite ist das reale Problem. Es gibt in Innsbruck tatsächlich Probleme mit einer Szene meistens junger marokkanischer Männer. Es gibt Kriminalität aus diesen Reihen. Die Scheu verantwortlicher Politiker davor, dies offen anzusprechen, hat mit der Angst zu tun, das Geschäft der rechten Hetzer zu besorgen. Aber was Realität ist, darf auch gesagt werden.

Es wäre so einfach
Es gibt kein Gen, das Angehörige irgendwelcher Völker oder Gruppen grundsätzlich zu irgendetwas Negativem stempelt. Was es aber geben kann, sind ganz konkrete Umstände und Verhältnisse, die das manchmal nahelegen. Es kann auch zeitweise vorkommen, dass sich bestimmte Formen von Kriminalität entlang bestimmter Ethnien oder Minderheiten organisieren. Die Bekämpfung solcher Tätergruppen ist dann tatsächlich eine heikle Gratwanderung zwischen unzulässiger Verallgemeinerung und notwendiger Aufklärung.
Es wäre so einfach: Es gibt österreichische Diebe, aber Österreicher sind keine Diebe. Es gibt kriminelle Marokkaner, aber Marokkaner sind nicht kriminell. Es gibt schwarzafrikanische Drogenhändler, aber Schwarzafrikaner sind keine Drogenhändler. Es gibt Asylbetrüger, aber Asylsuchende sind keine Betrüger. Es gibt gefährliche Islamisten, aber Moslems sind nicht gefährlich, usw.
Auf diese Unterschiede kommt es an. Sie sind die Trennlinie zwischen Anerkennung von Realitäten, die nicht immer gut sein müssen, und Hetze.

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52,3 Prozent Wahlbeteiligung, das ist das schrecklichste Ergebnis der Innsbrucker Gemeinderatswahlen. Freilich hat die Politikverdrossenheit ihre guten Gründe. Aber die Stimmung gegen „die Politiker“ insgesamt ist auch zu einer Mode geworden. Nichts soll beschönigt werden, aber das generelle Schlechtmachen von Politikern und Parteien ist nicht „kritisch“. Es ist billig. Neue Gruppierungen, die heute auf dieser Stimmung reiten und sich davon Wahlerfolge versprechen, sind morgen schon „Politiker“ und „Parteien“. Sie werden dann mit derselben generellen Abqualifizierung zu kämpfen haben. Das sollten sie wissen.

h.breidenbach@salzburger-fenster.at