Salzburger Fenster, Meinung 11-2013


Mit Herz und Hirn oder mit Macht und Jobs

Das Vertrauen in die beiden Salzburger Regierungsparteien und ihre Spitzenrepräsentanten ist  seit Bekanntwerden des Salzburger Finanzskandals abgestürzt. Laut einer IGF-Umfrage für das „Salzburger Fenster“ liegen die Vertrauenswerte beider Spitzenkandidaten im Minus-Bereich. Eine rot-schwarze oder schwarz-rote Koalition liegt nur noch bei 15 Prozent Zustimmung.  
Das ist eine Momentaufnahme. Die Verhältnisse können sich auch wieder ändern. Aber selbst wenn wir die aktuellen Werte positiv verdoppeln, bleiben sie immer noch miserabel und passen in die langfristige Entwicklung. Neue Gesichter ändern daran wenig und wirken meistens nur kurzfristig.
Es besteht ein immer ungesunder werdendes Missverhältnis zwischen der Zustimmung für ÖVP und SPÖ, die von den Herzen und Köpfen der Menschen kommt, und der Macht, die beide Parteien nach wie vor in Händen halten.
Legitim ist ihre Macht im engeren Sinn. Das sind die Mehrheit im Landtag und die Koalition in der Landesregierung. Absolut grotesk wird dieses Missverhältnis allerdings bei der Macht, die sich beide Parteien illegitim zugeschanzt haben.
Zwei Parteien, die für ihre gemeinsame politische Koalition aktuell eine Zustimmung von 15 Prozent haben, teilen sich 80 Prozent der Landesverwaltung, der Schulen, der Sportvereine, der Wohnbaugesellschaften, der Energieversorger, der gesamten staatsnahen Wirtschaft, des Bildungswesens oder der Polizei. Sie besetzen die Spitzenpositionen, sie dominieren die Kammern, sie halten sich parteipolitisch zuordenbare Sozialvereine. Sie füttern mit Steuergeldern Strukturen, die ihnen passen und die sie parteipolitisch zuordnen können, während sie andere aushungern.  

Fatale Dynamik
Es ist dabei eine fatale negative Dynamik entstanden. Je geringer die Zustimmung von den Herzen und Köpfen der Menschen ausfällt, desto verbissener krallen sich SPÖ und ÖVP an ihre illegitimen Machtstrukturen. Diese Spirale nach unten hat ihre Logik. Irgendwoher müssen die Funktionäre und der Nachwuchs ja kommen. Wenn man diese nicht mehr über Herz und Hirn gewinnen kann, dann mit Macht, Jobs, Zuckerbrot und Peitsche.
Das einzige Mittel dagegen ist eine mutige, starke und sich gegenseitig stärkende Zivilgesellschaft aus unabhängigen Bürgerinnen und Bürgern. In Österreich fehlt ein solche besonders schmerzlich. Nie war sie so nötig wie heute.

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Ein „Lehrerhaus“ für die Parteivereine. Es vermag immer wieder zu überraschen, wo überall man auf die Kraken der Parteibuchwirtschaft stößt. Also in Salzburg gibt es zum Beispiel ein so genanntes „Lehrerhaus“. Vor über hundert Jahren wurde es von einem „Salzburger Lehrerhausverein“ angekauft, um studierende Kinder aus „Lehrerfamilien“ zu unterstützen. Heute ist es ein Wohnheim für Studentinnen und Studenten mit 102 Plätzen.
Wer betreibt nun diese segensreiche Einrichtung? Wer stellt ein und nimmt auf? Das haben sich die Parteien unter den Nagel gerissen. Den „Salzburger Lehrerhausverein“ und damit des „Lehrerhaus“ teilen sich mittlerweile brüderlich die Lehrervereine von ÖVP, SPÖ und FPÖ. Sie finden auch bestimmt alle nichts daran, dass es unbedingt Parteivereine sein müssen, die ein Studenten-Wohnheim führen. Sie merken auch nicht, dass solche überholten Konstruktionen auch die sinnvolle Arbeit, die dort geleistet wird, entwerten.
h.breidenbach@salzburger-fenster.at
Zitat:  „Zwei Parteien, die für ihre Koalition aktuell eine Zustimmung von 15 Prozent haben, teilen sich 80 Prozent der Landesverwaltung.“