Meinung


SALZBURGER FENSTER 03/2012


von Heinrich Breidenbach

Kreuzfahrten: Eine Urlaubs-Industrie sprengt jedes Maß

Man spricht von einer „Boom-Branche“. Rund 400 riesige Kreuzfahrtschiffe befahren derzeit die Weltmeere. Die Zuwachsraten an Passagieren liegen jährlich im zweistelligen Bereich. Vor kurzem noch galten Schiffe mit tausend Passagieren als „groß“. Aktuell werden bis zu 4.000 Gäste befördert. Und es sollen immer mehr auf immer größeren Schiffen werden. Erfolgreich werden neue, jüngere Zielgruppen für dieses „Vergnügen“ erschlossen.
Es ist Geschmackssache. Ich streite trotzdem darüber. Ich liebe das Meer und Schiffe. Aber keine zehn Pferde würden mich je auf so einen Pott bringen. Solche Urlaubsindustrien nehmen ihren Konsumenten jede Eigenverantwortung, jeden Blick auf eine Karte und jede selbständige Planung ab. Sie bieten eine billige Illusion von „Luxus“. Dieser entmündigende Konsum von Urlaub beleidigt das schöne Wort „Reisen“.
Zum „Reisen“ gehört mehr: Planung. Ein bisschen Anstrengung und dann wieder Entspannung. Einmal zumindest so viel Durst oder Hunger, dass man sich über eine auftauchende Bar oder Einkaufsmöglichkeit freut. Ein wenig Hitze oder Kälte aushalten. Einen schönen Ort finden, verweilen und weiter fahren können. Etwas dazulernen, einmal mit weniger Komfort auskommen, usw.
Man kann das freilich auch alles ganz anders sehen und opulente Büffets, eilfertige Bedienung, Pools, Drinks, Liegestühle und organisierte Ausflüge als das Maß für gelungene Urlaube empfinden. Jedem das seine.

Schadstoffe wie fünf Millionen PKW
Über die Fakten sollte man sich aber nicht hinwegsetzen. Zum Beispiel nicht darüber, dass die Kreuzfahrtschiffe die Dimensionen der gewachsenen maritimen Infrastruktur und jeglicher Ästhetik sprengen. Sie passen nicht in alte, reizvolle Häfen und vor mediterrane Küstenstädte. Schauen Sie sich einmal an, wie es aussieht, wenn sich ein solcher Riesenpott vor der wunderbaren Altstadt von Dubrovnik breit macht, oder sich in den Canale Giudecca von Venedig zwängt!
Sie sind gefährlich und richten Schäden an. In Lagunen, vor Küsten und in Meeres-Schutzgebieten sind sie ökologische Zeitbomben. Die zwei Millionen Liter klebriges Schweröl in den Tanks des vor der toskanischen Insel Giglio gestrandeten Kreuzfahrtschiffes können auf Jahre die Lebensgrundlagen der Fischer und Inselbewohner zerstören. Von den Delphinen und Walen in den dortigen Schutzgebieten gar nicht zu reden.
Es ist ein bemerkenswerter Zufall. Ende Dezember 2011 hat der deutsche Naturschutzbund zwei Kreuzfahrtunternehmen zu den „Dinosauriern des Jahres 2011“ erklärt. Er begründete diese „Auszeichnung“ unter anderem damit, dass ein einziger dieser Riesen auf einer Kreuzfahrt so viele Schadstoffe emittiert, wie fünf Millionen PKW auf der gleichen Strecke.
Die ganze Problematik jetzt nur auf die Eigenmächtigkeiten eines Kapitäns zu reduzieren, der möglicherweise charakterlich, fachlich und nervlich überfordert war, ist billig.


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Nasser Hintern. Unlängst als Besucher bei der Wirtschaftskammer. Die Mitarbeiter waren sehr freundlich, kompetent und schnell. Sie lieferten besten Service. Aber als Fahrradfahrer sucht man dort vergeblich nach einem überdachten Fahrrad-Abstellplatz. Bei Schneeregen hieß das Weiterfahrt auf pitschnassem Sattel und mit nassem Hintern. Eine Kleinigkeit? Mag sein. Aber warum verwundert das beim vorherrschenden verkehrspolitischen Verständnis der Wirtschaftskammer nicht? Verkehr und Mobilität werden dort hartnäckig mit Autoverkehr gleichgesetzt. Die überfälligen anderen Weichenstellungen werden mit aller Macht blockiert. Der nasse Hintern des Radfahrers passt gut ins Bild.

h.breidenbach@salzburger-fenster.at